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langer dunkler Winter…

An manchen Tagen weiß man, auch ohne auf den Kalender zu schauen, welche Jahreszeit gerade ist. Leider an den meisten Tagen dieses Winters nicht. Die Temperaturen schwanken zwischen frühlingshaften 10/12 Grad und frostigen -2/+4 Grad. Der Natur bekommt dieses Wetter nicht, denn mancherorts schauen schon die ersten Frühlingsboten zaghaft aus dem Boden und erschrecken sich bei Frost wieder. Aber auch ich mag dieses meist trübe nasskalte Wetter nicht. Saugt schon der zweite Coronawinter alle Freude und Kraft aus mir heraus, so wird es durch die trüben Tage noch verstärkt. Ich komme garnicht in Schwung, alles ist lahm und irgendwie trostlos.

Eigentlich ist der Januar der Monat, in dem ich die meisten meiner Ideen umsetzte, viele ausgiebige Spaziergänge unternehme, um anschließend die Gemütlichkeit bei Tee und Kerzenschein mit Strickzeug auf dem Sofa zu genießen. Im Moment machen die Spaziergänge keinen Spaß und Kerzenschein allein reicht zu keiner Tageszeit zum Stricken aus. Die wenigen helleren Tage sind zwischendurch wie ein Rettungsring und ich versuche, ganz viel Kraft aus ihnen zu schöpfen.

Spreche ich dieses Thema an, merke ich, dass es vielen im Augenblick ähnlich geht und ich nicht allein mit diesem Gefühl bin. Viele Menschen um mich herum oder auch in den sozialen Netzwerken äußern ihre Ängste, die Gefühle der Trostlosigkeit und der Müdigkeit. Das ist traurig für jede/n einzelnen, aber gleichzeitig macht es auch Mut darüber zu reden! Noch vor ein paar Jahren war es ein Unding darüber sprechen zu können. Es galt als schwach und unverständlich, man wurde belächelt und hinter dem Rücken über einen gelacht bzw. der Kopf geschüttelt. Man solle doch dankbar sein, für alles was man hat, sich selbst nicht so wichtig nehmen und nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen, sich nicht so gehenlassen, Kopf hoch – wird schon wieder, ist doch alles garnicht so schlimm, was du immer hast, stell dich nicht so an, du bist doch gesund, ändere doch was, jeder ist seines Glückes Schmied und so weiter und so weiter… So oder so ähnlich waren die wenig hilfreichen Ratschläge und Kommentare.

Ich habe mich jahrelang immer wieder durch dunkle Zeiten geschleppt, nur mit wenigen Menschen über meinen Gefühlszustand gesprochen, meist die Zähne zusammengebissen und nicht gewusst, wie ich besser damit umgehen kann.

Als ich vor fünf Jahren aus heiterem Himmel auf ziemlich unschöne Weise (mittlerweile tut die Erinnerung daran nicht mehr weh) meinen heiß geliebten Job verlor, brach meine Welt zusammen und ich verlor jeden Halt unter den Füßen. Ich wurde bis in meine Grundfeste erschüttert, denn menschliche Enttäuschungen taten ihr Übriges…

Viele Monate schleppte ich mich von Tag zu Tag, schlief schlecht, hatte keine Freude an irgendwas, jede Aktivität war mir zuviel.

Mein Hausarzt war in Sorge um mich und riet mir zu einer Therapie. Ich hatte großes Glück innerhalb kurzer Zeit einen Platz bei einer Psychotherapeutin zu bekommen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten meinerseits, Vertrauen aufzubauen und einen Zugang zu meinen Gefühlen zu zulassen, begann ich mehr und mehr, mich selber besser kennenzulernen. Stückchen für Stückchen erkannte ich Muster in meinen Handlungen , merkte, warum ich was fühle, wer oder was mich warum antriggert. Ich lernte mir selbst zu vertrauen, mir etwas zu zutrauen, mich selber zu lieben und zu akzeptieren.

Oft waren die Sitzungen anstrengend, nahmen mich mit in kränkende Erinnerungen und forderten mich gefühlsmäßig stark heraus. Aber ich bin froh und dankbar, dass ich mich dieser Herausforderung gestellt habe. Ich weiß nun, dass nicht alles Schlechte und Traurige in meinem Leben mir persönlich gilt, viele Enttäuschungen nicht meine Schuld sind oder waren, ich nicht immer für das Glück anderer zuständig bin, mich abgrenzen darf. Ich darf gut zu mir sein, mich selber mögen, akzeptieren, dass ich Fehler mache, dass es gute und auch schlechte Zeiten gibt, ich manchmal traurig bin, nicht immer voller Tatendrang… ja, einfach ich selber sein darf.

Darum kann ich heute dunkle, traurige Zeiten besser aushalten, denn ich weiß, sie gehören zum Leben dazu und gehen vorüber. Ich darf mich mit einem Buch zurückziehen, wenn ich die Welt einfach mal draußen lassen möchte. Laute Musik hören und in meinen vier Wänden abrocken, wenn ich das brauche und es mich befreit von dicken, dunklen Wolken in meinem Kopf und Herz. Ich weiß, dass ich nicht immer funktionieren muss und NEIN sagen darf, wenn ich JA sagen möchte zu mir selbst!

Und, ich schulde niemandem Rechenschaft über meine Gefühle und die Art und Weise, wie ich mein Leben lebe, solange ich damit niemandem schade.

Heute ist das Wetter wieder grau und ungemütlich, ich fühle mich antriebslos und müde… aber ich hatte das Bedürfnis euch an meinem Weg teilhaben zu lassen. Ich möchte allen Mut machen, sich ihren Ängsten, Sorgen und alten Mustern zu stellen. Sich einzulassen auf die Erinnerungen, traurigen Gefühle und sich selbst dabei kennenzulernen, denn es macht den Weg frei für ein selbstbestimmteres Leben. Der Weg ist nicht leicht, nicht immer schön und tut oft auch weh, aber es ist DEIN Weg in DEINEM Leben!

Ich sehe den Himmel langsam heller werden, der Januar ist schon halb geschafft, die Tage werden wieder länger und meine junge Nachbarin bekommt ihr Gewächshaus – wenn das keine Vorboten für den noch fernen, aber auf jeden Fall kommenden Frühling sind 😉

In diesem Sinne wünsche ich euch noch einen heller werdenden Winter und ziehe mich mit Tee, Strickzeug oder Buch auf’s Sofa zurück.

Alles Liebe

Ellen x